Erste Automobile kamen gänzlich ohne Elektronik aus. Autos wurden über mehr als 100 Jahre weiterentwickelt. Sie wurden einfacher zu bedienen, die Benutzung wurde immer komfortabler. Damit ging die Integration von immer mehr kleinen elektronischen Helfern einher. Heute verfügen Automobile über bis zu 150 Steuergeräte, die alle miteinander vernetzt sind. Um die zuverlässige Datenübertragung der immer größer werdenden Datenmengen zu gewährleisten, wird auch die Datenübertragung stetig weiterentwickelt. Ein großer Schritt in den 1980er Jahren war die Entwicklung des Standards für das CAN-Protokoll. Seit der Einführung gab es viele Verbesserungen am CAN-Bus, aber auch Entwicklungen weiterer leistungsfähigerer Datenübertragungssysteme. Ein System zeichnet sich für die nahe Zukunft als wegweisend ab, aber auch die Anforderungen der Automobilindustrie werden voraussichtlich noch weiter steigen.

Historie

Noch bis in die späten 1970er Jahre gab es in den Automobilen nur sehr wenig Elektronik. So passte der gesamte Schaltplan für den VW Käfer auf eine A4-Seite. Mit der Zeit vergrößerte sich die Anzahl der elektronischen Steuergeräte rasant. Anfangs gab es einzelne Signalleitungen, aber mit der Zunahme der Steuergeräte vervielfachte sich auch die Anzahl der zu verarbeitenden Signale. Anfang der 1980er Jahre hatte ein Mittelklasse-Pkw schon über 600 verschiedene Kabelbaumtypen mit über 100 kg Gewicht. Eine Gewichtseinsparung war dringend notwendig.

Aufgrund ihrer Funktionalität mussten die Steuergeräte untereinander Daten austauschen können und vernetzt sein. Es war abzusehen, dass es bald nicht mehr möglich sein würde, den gesamten Datenfluss über einzelne Signaladern zu transportieren.

Allein der Produktionsaufwand und das hohe Gewicht hätten die Anschaffung und den Unterhalt von Automobilen unnötig teuer gemacht. Daher wurde Anfang der 1980er Jahre von BOSCH und Intel die Entwicklung eines echtzeitfähigen und sicheren Bussystems begonnen. Regelungssysteme, Sensoren, Aktoren und Steuergeräte sollten über einen einzigen seriellen Bus miteinander kommunizieren.  1986 wurde das CAN-Protokoll offiziell vorgestellt und ab 1987 gab es erste CAN-Komponenten von Intel und Philips Semiconductors auf dem Markt. Der erste große Serieneinsatz wurde 1992 bei Mercedes-Benz in S-Klasse-Fahrzeugen realisiert.

Verbreitung und Weiterentwicklung der CAN-Bus-Standards

Der CAN-Bus fand sehr schnell auch in anderen Fahrzeugklassen Anwendung. Ab den frühen 2000er Jahren wurde er auch in Fahrzeugen der unteren Mittelklasse und in Kleinwagen eingesetzt. Zugleich gab es eine stetige Zunahme der Anzahl der in Fahrzeugen eingesetzten Steuergeräte. Mit dem Anstieg der Menge der zu übertragenden Daten wurde eine schnellere Datenübertragung notwendig. Im Jahr 2003 wurde der High Speed CAN mit ISO 11898-2 standardisiert, der eine Datenrate von bis zu 1 MBit/s erlaubte. Der High Speed CAN wurde für den Datenaustausch zwischen Motorsteuerung, Getriebesteuerung, ESP, ASR und anderen Steuergeräten eingesetzt, wo große Datenmengen in kurzer Zeit übertragen werden mussten. Für Anzeigen, Beleuchtung, Klimaanlage und Verriegelung wurden die Daten über den robusten Low Speed CAN nach ISO 11898-3 mit bis zu 125 KBit/s übertragen.

Für eine weitere Erhöhung der Datenrate sorgte die Entwicklung des CAN-FD-Protokolls ab 2011. Durch eine Verkürzung der Bitübertragungszeit innerhalb der Nachricht und ein geändertes Frame-Format wurde eine Erhöhung bis 8 MBit/s im Einsatz ermöglicht, wobei der entsprechende Standard ISO11898-1:2015 noch höhere Datenübertragungsraten erlaubt.

Eine weitere wesentliche Ergänzung wurde vorgenommen, da im Standard-Arbitrierungsverfahren des CAN-Protokolls Nachrichten von geringerer Priorität dauerhaft von Nachrichten höherer Priorität blockiert werden können. Das CAN-Protokoll wurde durch eine zeitgesteuerte Nachrichtenübertragung mit ISO 11898-4 erweitert, auch bekannt als TT-CAN.

Entwicklungen alternativer Bus-Systeme

Durch die gestiegenen Datenaufkommen ergaben sich immer höhere Buslasten. Es wurde mit parallelen Bussystemen gearbeitet, was jedoch nur eine lineare Erhöhung der Datenrate bei gleichzeitig linearer Gewichtserhöhung erlaubte. Die gestiegenen Bandbreitenanforderungen hatten zur Entwicklung neuer Bussysteme geführt. Für das Infotainment wurde der MOST-Bus (Media Oriented Systems Transport-Bus) entwickelt. Mit Bandbreiten von bis zu 150 MBit/s sollte er beispielsweise Daten für Displays im Armaturenbrett übertragen. Die Ringstruktur wirkt sich jedoch nachteilig auf die Störsicherheit aus, da beim Ausfall eines Teilnehmers der gesamte Ring gestört ist. Dadurch war der MOST-Bus nicht für sicherheitsrelevante Aufgaben verwendbar.

Als Nachfolgetechnologie des CAN-Busses sollte mit FlexRay ein Bus-System mit einer höheren Datenübertragungsrate etabliert werden, das gleichzeitig echtzeitfähig und ausfallsicher ist. Der FlexRay-Bus arbeitet seriell, ist deterministisch aufgebaut und fehlertolerant. Er realisiert Datenraten bis 10 MBit/s und wird für sicherheitskritische Anwendungen eingesetzt. Der komplexe Aufbau führte jedoch dazu, dass er sich in der Automobilindustrie nicht durchsetzen konnte. Nach der Auflösung des FlexRay-Konsortiums im Jahr 2010 wurde das FlexRay-Protokoll nach ISO 17458 überführt und findet immer noch Anwendung.

Durch das automatisierte Fahren stiegen die Anforderungen an die Datenübertragungsrate erneut. Bandbreitentreiber waren vor allem die Umfelderkennung und andere Sensorik für das automatisierte Fahren sowie neue Displaytechnologien. Die Verkabelung sollte nach wie vor leicht und nicht zu teuer sein und die strengen Standards für Temperatur (-40°C bis 125°C), Zuverlässigkeit und Energieverbrauch sollten eingehalten werden. Als man nach kostengünstigen Alternativen zu den bis dahin verfügbaren Fahrzeugbussystemen suchte, stieß man auf eine Broadcom-Entwicklung, die ursprünglich für Wohnhäuser gedacht war und auf ungeschirmten Twisted Pair-Kabeln basierte. Auf dieser Basis wurde Automotive Ethernet mit einer Bandbreite von 100 MBit/s entwickelt. Die erste Version des Standards BroadR-Reach wurde von den IEEE-Versionen 100BASE-T1 (P802.3bw) und 1000BASE-T1 (802.3bp) abgelöst. Die Ethernetdefinitionen wurden um die Time-Sensitive-Network-Funktion (TSN) erweitert. Durch TSN wird die zeitliche Koordination zwischen mehreren Sendern und Empfängern und eine Zugangsüberwachung auf ECU-Knoten möglich. Durch eine Zeitsteuerung („scheduled traffic“) wird sichergestellt, dass zeitkritische Signale feste Übertragungsfenster haben. Diese Entwicklung hat das Potenzial für GBit/s-Netzwerke und darüber hinaus.

Ausblick

Durch Entwicklungen der Automobilindustrie für autonomes Fahren und der damit einhergehenden Steigerung der Anzahl der Signale und der Anzahl von Steuergeräten in den Fahrzeugen wachsen die Anforderungen an die Datenübertragungsraten stetig.

Automotive Ethernet erfüllt die, durch neue Anwendungen, gestiegenen Anforderungen der Automobilindustrie an die Datenübertragungsrate und die Zuverlässigkeit im Hinblick auf sicherheitskritische Systeme. Fahrzeugnetzwerke werden nicht von heute auf morgen auf neue Technologien umgestellt werden können und daher werden verschiedene Netzwerke wie CAN, CAN-FD und FlexRay parallel für viele Jahre verwendet werden. Die Einfachheit und die höhere Datenrate bei gleichzeitiger Erfüllung aller anderen Anforderungen der Automobilindustrie legen nahe, dass Automotive Ethernet sich langfristig als Universal-Bussystem im Automobil durchsetzen wird.

Autor: Andreas Bauer